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Abenteuer an der Skjern Au: Lachsangeln, einarmiges Kreditkartenreißen und Kuh-Slalom

Rubrik: Fishmaps-Bericht
Region: Hvide Sande, Ringkøbing & Thyborøn
Ferienhaus an der Skjern Au
Vorurteil bestätigt: Lachsangler haben jede Menge Kies!
Fischarten: Hecht, Lachs, Regenbogenforelle

Wisst Ihr, was einem Angler als Erstes durch den Kopf schießt, wenn er nur durch einen waghalsigen Schlenker und brachialem Tritt auf die Bremse den Frontalaufprall mit einer lebensmüden Kuh verhindern kann? „Um Gottes Willen! Die Ruten!!!“ Aber dazu später mehr ...

Drei Tage Lachsangeln an der Skjern Au! Hört sich nicht nur toll an, sondern ist auch toll! Klasse Angelkumpels, tolle Unterkunft und ein Fluss wie aus dem Bilderbuch. Genau das sind die Aussichten, mit denen Elmar, Tom und ich im Juli 2008 an die Skovbjerg River Lodge an der Skjern Au starten.

Alle drei sind wir blutige Anfänger, was Lachsangeln angeht. Natürlich nur in der Praxis. Theoretisch haben wir's drauf. Und wie! Mit Zweihandruten, Schussköpfen und Bindematerial, das für eine mittlere Hausmesse reichen würde, im Gepäck erreichen wir die Skovbjerg River Lodge. Ole, der Besitzer und selbst langjähriger und erfahrener Lachsangler, präsentiert uns noch einen gewaltigen Lachs in der Gefriertruhe, den er im Frühsommer der hauseigenen Lachsstrecke entlocken konnte. Mehr muss man gar nicht sehen, um fickerig zu werden! Das Beziehen der Zimmer im geschmackvollen und urgemütlichen Ferienhaus dauert ca. 3 Minuten und 23 Sekunden. Danach ziert ein Kondenstreifen den kurzen Weg der drei mit Pol-Brille auf cool getrimmten Rekordlachsjäger ans Wasser.

Das tolle an der Hausstrecke der Skovbjerg River-Lodge: Man ist nach hundert Metern Fußweg an der Skjern Au und ist definitiv unter sich! Diese wunderschöne Strecke der Skjern Au bleibt den Hausgästen vorbehalten. Vielleicht auch ganz gut, dass Publikum nicht anwesend ist, als wir uns erstmal mit der Zweihandrute einzuwerfen versuchen. Leider ist der Wasserstand recht niedrig – nie die besten Voraussetzungen für gute Lachsfischerei. Fisch gibt's somit an dem Abend nicht, aber die Stimmung am Wasser ist traumhaft schön.

Shopping-Paradies für Angler

Abends im Ferienhaus ein paar Glas Rotwein, einige akrobatische Einlagen am Bindestock und schon stehen wir nach einer kurzen Nacht wieder am Wasser. Während Elmar diesmal versucht, mit der Fliege und großen Streamern Hechte zu ärgern, stellen Tom und ich den Lachsen nach. Aber auch heute morgen zeigt sich weder einer der begehrten Fettflossenträger, noch erbarmt sich einer, für den ersehnten Ruck in der Rute zu sorgen.

Gut, wenn man Alternativen hat! Nach dem Frühstück geht’s direkt in den Ort Skjern zu Fliegenfischer's Paradies und Kreditkartens Hölle: Korsholm. In diesem riesigen und viel zu gut sortierten Angel-, Jagd- und Outdoorgeschäft findet selbst derjenige, der schon alles hat, unzählige Kleinteile, mit denen man an der Kasse die Kreditkarte zum Glühen bringt. Ich persönlich besorge mir hier immer die Kunststoffaugen, die man zum Binden der bekannten Meerforellenfliege „Pattegrisen“ benötigt. Meines Erachtens haben die Dinger hier im Laden die perfekte Größe. Aber das nur am Rande ….

Nachmittags und abends stehen wir abermals an der Skjern Au. Habe voller Tatendrang (und ein wenig Verzweiflung) eine Lachsfliege mit einem kleinen Propeller kreiert. Streamer mit Propeller haben mir an Forellenseen schon oft Bisse gebracht, wenn sonst nichts lief. Gut. In der Gunst der Angler liegen Lachse und Zuchtforellen weit auseinander, aber genetisch ist's halt nur ein Katzensprung. Tolle Theorie. Bringt aber leider auch nichts. Zwar ist auch diese zweite Tageshälfte an der Skjern Au wunderschön, aber irgendwie erzeugte die Lethargie der Lachse seltsame Ideen bei uns: Ich weiß gar nicht mehr, wer es ist, aber irgendwann fällt der Satz: „Sagt mal, gibt’s hier nicht in der Nähe 'nen Forellensee …?

Jo! Und dann sogar einen mit 'nem künstlichen Bachlauf! Kurz in GOOGLE-Earth geschaut (FishMaps ist ja im Juli 2008 noch nicht am Netz) und schon haben wir unser Ziel: Stampevejens Put & Take ein paar Kilometer nördlich von Ringkøbing – quasi um die Ecke!

Kuh von rechts

Und am nächsten Morgen auf dem Weg dorthin passiert es dann: Wir fahren mit ca. 90 Sachen und in der Mitte des Wagens durchgeschobenen, voll aufgetakelten Ruten auf dem Skjernvej Richtung Skjern. Linker Hand die Skjern Au und rechter Hand Kuhweiden. Eine Kuh läuft etwas hektisch in ein paar hundert Meter Entfernung vor uns eine an die Straße grenzende Weide entlang und entschwindet dann unserem Blickfeld, da Büsche den Skjernvej von den Weiden trennen. Gut. Warum auch nicht? Ist ja auch ein Zaun dazwischen. Kurz bevor wir die Stelle erreichen, wo die Kuh vorhin noch war, nehmen wir  fast wie in Zeitlupe wahr, wie die Kuh mit bewundernswerter Geschwindigkeit die Böschung hoch und auf die Straße rennt.

Perspektivenwechsel: Ich bin eine Kuh. Ich bin verzweifelt. Bin irgendwie durch einen Sprung im Zeitkontinuum (evtl. auch durch ein Loch im Zaun) von meinen Mädels auf der Weide getrennt worden. Versuche verzweifelt wieder zu ihnen zu gelangen. Brauche bessere Übersicht und erklimme einen Damm, dessen Oberfläche hart, grau, ohne Gras und mittig mit milchfarbenen Streifen versehen ist. Bin gerade oben, als etwas schneller als ein Stier auf mich zu gerast kommt. Meine vier Mägen verkrampfen sich schlagartig! Erkenne drei Menschen mit Spiegelei großen Augen, die ein metallisch schimmerndes Wesen zu reiten scheinen. Nee, oder doch nicht … irgendwie sitzen die drin! Wie pervers! Die drei scheinen völlig paralysiert und schauen hilflos in meine Richtung, nur das metallische Wesen weicht geistesgegenwärtig aus. Dieses irre Gespann rauscht haarscharf an mir vorbei. Mit zittrigen Beinen erreiche ich die andere Seite des Damms und erleichtere mich auf dem Seitenstreifen. Will nur noch nach Hause …

Rammt uns das Rindvieh?

Wieder im Auto: Zwei Möglichkeiten: 1. In der Annahme, dass die Kuh genug Schwung hat und weiter läuft, versuche ich am A.... vorbei, also rechts, auszuweichen. 2. In der Annahme, dass das Rindvieh infolge seiner Masse durch den Galopp die Böschung hoch schnell an Schwung verliert, schnell noch links dran vorbei ziehen.
Im Ernst: Alles graue Theorie! Irgend ein Instinkt in mir hat sich für Möglichkeit 2. entschieden und fast zeitgleich voll auf die Bremse zu treten. Ist dann wohl die richtige Entscheidung, da ich sonst wohl kaum diese Zeilen schreiben würde. Während wir knapp am verstörten Rindvieh vorbei rauschen, schießen die Ruten nach vorne gegen die Windschutzscheibe und verharren dort in alarmierend gekrümmter Haltung. „Um Gottes Willen! Die Ruten!!!“ schießt mir durch den Kopf. Komisch, was für'n unwichtiger Kram in so einer Situation die Gedanken beschäftigt ...

Ich halte an und wir entsteigen dem Wagen mit zittrigen Beinen. Die Raucher unter uns stecken sich eine an und die Nichtraucher erwägen, mit dem Rauchen endlich zu beginnen. War wohl so was wie ein zweiter Geburtstag. Für uns. Und für die Kuh.

Schön, wenn man danach in der Lage ist, sich von diesem Nerven aufreibendem Abenteuer ein wenig abzulenken. Und so was geht bei Anglern denkbar fix: Der Anblick aktiver Fische und vor allem die Größe der Forellen am Stampevejens Put & Take lassen uns schnell diese Beinahe-Katastrophe vergessen. Und als die erste Regenbogenforelle am Band hängt, ist die Welt schnell wieder in Ordnung.

Ach ja: der erste Biss kam auf … Propellerfliege!

Nüzzjanix,

Holger

 

Autor: Holger Bente
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